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Bezirksliga: Das Wunder von Gießen

Ein alter (Fußballer-)Spruch besagt: "Wenn Du keine Chance hast, nutze sie". Das können wir seit Sonntag ergänzen: "Wenn Du gar keine Chance hast, dann kann ja fast nichts mehr schiefgehen".

Bad Homburg 3 musste in der Bezirksliga mit nur 2 der gemeldeten Spieler zum ambitionierten Aufsteiger Gießen 3 reisen, der in der ersten Runde zu siebt einen Ligafavoriten besiegt hatte! Gegen uns waren dann aber natürlich alle Bretter besetzt und wir saßen überall einer kleinen bis riesengroßen DWZ-Übermacht gegenüber: im Schnitt 182 Punkte, das ist grausam viel. Andererseits konnte somit ohne Erwartungs-Stress konzentriert und frei an die Partien herangegangen werden.

Engagement und Ernsthaftigkeit zeigte sich auch an der Zeit, die sich alle Homburger nahmen, um gut in die Partie zu kommen. Am Spitzenbrett tauschte Irina Donchenko gegen Paul Lenhart forciert ab, um nicht nachteilig ins Mittelspiel zu geraten. Das führte nach einer guten Stunde zu einem Brett, das ebenso übersichtlich war wie der Teller in einem Nobelrestaurant: das Remis (von Lenhart angeboten) war da unvermeidlich.


Erwehrten sich spürbar stärkerer Gegner: Matthias Siegmann mit einem Sieg und ...

Erhard Siegel und Oliver Annen standen bereits unter hohem Druck, der nichts Gutes verhieß. Bald war die Situation auch am Brett von Benjamin Kilb ähnlich. Aber Turnier-Schach wird nicht nach einer Stunde entschieden und nach zwei Stunden keimte in Erhard Siegel wieder etwas Hoffnung. Matthias Siegmann hatte sogar einen soliden Mehrbauern!

Peter Sabel stand mit Schwarz sicher, hatte aber viel Zeit für erst 11 Züge verbraten. Auch Frank Hoffmann und Regina Thaler mussten noch keine Nachteile auf ihrem Brett verzeichnen. Die sicher zu erwartende Niederlage würde also nicht ganz so deftig ausfallen!


... Oliver Annen mit einem Remis...

Erhard Siegel fuhr nun den zweiten halben Punkt ein, nachdem sein Gegner sich Zähne und Hörner an der schwarzen Stellung tüchtig abgewetzt hatte. Auch Oliver Annen konnte hoffen, nachdem er sich vom Verteidigen seiner schwachen Bauern auf das Angreifen der guten Bauern des Gegners umgestellt hatte - aber seine Zeit geriet fast in Sabelsche Knappheit, der hatte nämlich bald nur noch 8 Minuten für 25 Züge.

Naturgemäß beschleunigte sich jetzt die Abfolge der Ereignisse: Oliver schaffte die Zeitkontrolle und damit das Remis (eine studienhafte Wendung mit Gewinnchancen hatte der Gegner am Brett nicht gefunden). Bei Frank Hoffmann wurde es wild: jede Partei hatte 4 isolierte Bauern und sein Gegner gab aus zweifelhaftem Grund plötzlich einen Läufer und kurz darauf (dann aber berechtigt) nach Franks souveränem Spiel die ganze Partie auf!


... und nicht zu vergessen: Frank Hoffmann mit einem Zeitnotsieg.

Weil Matthias Siegmann mit der Präzision eines Quarzuhrwerks seinen Vorteil verwandelte, stand es um 18:00 auf einmal 3½:1½ für uns - und Peter Sabel (offensichtlich stolzer Besitzer einer Zeit generierenden Aura) hatte nicht nur die Zeitkontrolle geschafft, sondern verfügte nun über mehr Minuten für den Rest des Wettkampfs als sein Gegner.

Regina Thaler spielte währenddessen, unbeeindruckt ob der 621 Pünktchen DWZ-Differenz, mit viel Umsicht und Geduld.

Da Benjamin Kilbs Remisangebot zwar abgelehnt wurde, aber sein deutlicher Nachteil immer noch nicht zur Niederlage genutzt wurde, wandelte sich Benjamin nun zu Goliath und entwickelte seinerseits Gewinnchancen, indem er ausgehend von der linken Diagrammstellung seinen König aktivierte und die rechte erreichte.

Durch Dauerschachs konnte jedoch Weiß das Schlimmste verhindern, andererseits bedeutete das nach 5 Stunden das 4:2 für uns.

Kurz darauf sah auch Peters Gegner ein, dass in der abgebildeten Schlussstellung der schwarze Läufer bis ans Ende der Zeit nur zwischen b4 und c5 pendeln muss - also Remis und 2 Mannschaftspunkte für uns als krasser Außenseiter.

Regina Thaler spielte immer noch, aber es zeichnete sich ihre Niederlage mehr und mehr ab. Um 19:47 mußte sie nach ihrem wirklich großartigen Match dem Opponenten gratulieren, was nichts an ihrem erheblichen Beitrag zu dem 4½:3½ Erfolg - der ein Erfolg der ganzen Mannschaft war - schmälert. (P.L.)

Die Einzelergebnisse:

SK Gießen III SK Bad Homburg III  3,5-4,5 
Donchenko,Irina  1896  Lenhart,Paul  1891  ½-½
Simon,Werner  1771  Annen,Oliver, Dr.  1641  ½-½
Bolte,Christoph  1819  Siegmann,Matthias  1723  0-1
Zalewski,Ulrich, Dr.  1725  Sabel,Peter  1379  ½-½
Rosenberg,Benno  ----  Hoffmann,Frank  1468  0-1
Kunkel,Wolfgang  1567  Siegel,Erhard  1557  ½-½
Schoenweitz,Friedhelm  1599  Thaler,Regina  978   1-0
Schmitz,Jochen  1405  Kilb,Benjamin  1337  ½-½