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Jetzt auf Deutsch: Finnland grüßt das RMO

Vor ca. 10 Wochen entstand durch Niki Paajala ein Bericht über das Rhein-Main-Open 2013 in einem Finnischen Blog (siehe hier oder das Original).

Der Schachklub Bad Homburg bedankt sich herzlich bei Kim Schulte, einem gebürtigem Finnen, der diesen Schach-Reise-Bericht jetzt (sinngemäß) auf Deutsch übersetzt hat.


XVI Rhein-Main-Open 29.5.-2.6.2013

Ich war im Sommer in Deutschland, um Schach zu spielen. Eigentlich wollte ich einen Bericht darüber in "Suomen Shakki" schreiben, aber das Schreiben hat sich lange verzögert. Deshalb entschied ich mich, den Bericht hier ohne Termindruck zu verfassen. Ganz fertig ist er immer noch nicht, aber es wird schon werden.

Teil 1

Aus Termingründen konnte ich meine Hollandreise (6/2012) nicht wiederholen, wollte aber im Ausland Schach spielen. Aus dem FIDE-Kalender habe ich ein geeignetes Turnier im Monatswechsel Mai-Juni mit dem Bad Homburger Rhein-Main-Open gefunden. Die anderen Kumpels konnten nicht mitkommen, aber die Reise sah relativ klar aus, und so habe ich mich allein auf die Fahrt getraut.

Bad Homburg ist eine Stadt mit etwas über 50.000 Einwohnern und bekannt für seine Mineralwasser, seine Bäder und seine Spielbank. Ich konnte relativ günstig mit der Lufthansa nach Frankfurt fliegen und von dort aus ging es in gut 30 Minuten und mit einmal Umsteigen per S-Bahn zum Zielort. Ein Taxi hätte sicher ca. 50 € gekostet, die Bahn wollte lediglich 4 €.

Vom Bahnhof, der gerade umgebaut wurde, waren es ca. zwei Kilometer bis zum Hotel und von da nochmal so viel bis zum Spiellokal. Ich hätte auch mit einem Bus fahren können, aber ich wollte lieber zu Fuß die Stadt und die Umgebung etwas kennen lernen. Das Wetter war nicht ganz so gut wie in Maastricht im vergangenen Jahr, aber wenigstens trocken.


Trotz eines "eigenen" Fliegers habe ich mich entschieden, mit dem gemeinen Volk zu reisen.

Das Rhein-Main-Open wurde zum 16. Mal veranstaltet. Das erste Turnier wurde in Wiesbaden gespielt, die nächsten fünf Turniere in Frankfurt und Bad Homburg war zum 10. Mal der Gastgeber. Gespielt wurden Rundenturniere in zwei Gruppen nach Schweizer System, wobei Gruppe A offen war und B limitiert bis Elo 2000. Mein Startrang in der A-Gruppe war 82. von 132, womit keine große Beute zu erwarten war. Den Spitzenplatz hatte Vladimir Epishin mit einem Wertungsvorsprung von über 100 Punkten. Vladimir Epishin ist unter anderem bekannt als ein ehemaliger Adjutant von Ex-Weltmeister Anatoly Karpov.


Das Brett von Großmeister Vladimir Epishin - aber alle Bretter waren mit Namensschildern ausgestattet.

Nach ihm kamen zwei Internationale Meister und Altgroßmeister Vlastimil Hort, der in der Eröffnungsrunde gegen den zweiten finnischen Teilnehmer Torvald Perman spielte.

Die Spielzeit war wie bekannt 90 Minuten für 40 Züge, danach weitere 30 Minuten für den Rest der Partie, jeweils mit 30 Sekunden Inkrement je Zug. Die erste Runde war am Mittwochabend. Am Donnerstag gab es 2 Spiele, am Freitag eines, am Samstag zwei und das letzte am Sonntag. Zusätzlich gab es am Freitag Vormittags ein kostenpflichtiges Grossmeistersimultan mit Hort. Es haben 23 Spieler teilgenommen, zwei mit Remis und einer siegte.

Das offizielle Turnierhotel ist das Parkhotel, wo auch ich ursprünglich ein Zimmer reserviert hatte. Als ich jedoch gemerkt habe, dass die Internet-Nutzung dort 15 € pro Tag kostet, habe ich ins Hotel Haus Daheim umgebucht. Haus Daheim liegt in etwa in der gleichen Entfernung vom Spielort, ist kleiner und günstiger, macht aber auch einen etwas ungepflegteren Eindruck. Einmal konnte ich die Tür meines Zimmers nicht öffnen, zum Glück war ich diesmal draußen und nicht drinnen wie einmal im WC beim Limburg Open. Der zur Hilfe gerufene Wirt konnte jedoch das Schloss öffnen und so kam ich zu meinem Gepäck und konnte Richtung Spielort gehen. In der Zwischenzeit wurde das Schloss repariert und hat danach tadellos funktioniert.

Das Spiellokal, das Bürgerhaus Kirdorf, hat seine Funktion prima erfüllt. Im Saal gab es ausreichend Luft, der Platz war es in der Tiefe ausreichend und in der Breite gut. In der Nähe der Außentüren war es zwar etwas laut, aber es hat nicht weiter gestört. Die Spitzentische waren an der ruhigeren Fensterfront, aber besonders in den späteren Runden sammelten sich dort auch viele Zuschauer.


So sah es im Turniersaal aus.

Die Anzahl der Teilnehmer war von vornherein auf 224 begrenzt. Alle Bretter hatten Holzfiguren und eine DGT XL-Uhr. Live-Bretter gab es nicht. Zwischenstände und Paarungen sind rechtzeitig auf das schwarze Brett außerhalb des Saales ausgehängt worden. Partieformulare wurden zum Tisch gebracht, die Originale verblieben beim Veranstalter, die Kopien konnte man behalten. Es gab eine kleine Kaffee-Bar vor Ort, weswegen es verboten war, eigene Getränke mit zu bringen, wobei ich nicht weiß, ob das Verbot aktiv kontrolliert wurde. Handys, Tablets etc. mussten auch in den Gängen ausgeschaltet bleiben, weil der Veranstalter jegliche Diskussionen und Nachfragen vermeiden wollte. Das Turnier war schon einige Wochen vor Spielbeginn ausgebucht, so dass Teilnehmer für 2014 sich rechtzeitig anmelden sollten. Allerdings liegt der Termin für Finnen etwas ungünstig, da er in diesem Jahr in der Mittsommerwoche stattfindet. Infos gibt es auf der Website.


Ein Foto aus meiner Partie gegen Roland Schmid.

In der ersten Runde spielte ich gegen Roland Schmid, 2241. Er hat etwas unkonzentriert angefangen, wodurch ich einen Bauern um den 20. Zug gewonnen habe. Später war der Sieg quasi auf dem Brett, aber durch Reisemüdigkeit oder was anderes konnte ich den relativ einfachen Fortgang nicht richtig berechnen.

Die letzten Züge waren 35. Dxe7 Te8 und was müsste man jetzt als 36. finden?

Tja, zum Glück habe ich nicht wie im vergangenen Jahr mit zwei Niederlagen begonnen. Zum größten Teil kamen die Teilnehmer aus Deutschland, aber es gab auch ein paar Norweger, Spanier und Russen. Meine eigenen Gegner waren alle aus Deutschland. In der zweiten Runde konnte ich relativ einfach ein Remis mit einem Minus-Bauern in einem Turm-Endspiel gegen einen etwas älteren Herren mit 2180 halten. In der dritten Runde war mein Gegner ein 16-Jähriger mit 1958, gegen den ich wie üblich die Zugreihenfolge vertauscht habe und bald nach einem Qualitätsopfer verlor. Seither hat mein Gegner seine Wertung um 80 Punkte erhöht, was meinen Verdacht auf Unterbewertung bestätigt hat.

Da am Freitag wegen des Simultans nur eine Runde gespielt wurde, wollte ich am Donnerstag einkaufen und mich der Touristik widmen. Alle Geschäfte waren aber wegen Fronleichnams geschlossen, hätte man auch wissen können, aber.... Auch in 2014 scheint das Turnier über einen Feiertag zu gehen, dies als Hinweis für eventuelle Interessenten. Da auch mein Netflix wegen der finnischen IP-Adresse nicht funktioniert hat, habe ich meinen Abend mit Schachaufgaben verbracht.

Nach drei Runden hatte ich einen Punkt. Der nächste Gegner war ein Junior mit einer niedrigeren Wertung, so dass ein Sieg mit Schwarz angebracht war, um mein Turnier nicht komplett zu versauen. Perman verlor gegen Hort und nach einer weiteren Niederlage gewann er, womit auch er 1 aus 3 hatte.

Teil 2

Am Freitag habe ich dann meine Touristikrunde gemacht mit Einkaufen und Schreiben von Ansichtskarten. Mit den vielen Bädern und anderen Pflegeeinrichtungen dient die Stadt eher den Bedürfnissen von etwas älterem Publikum. Zumindest am Wochenende konnte ich kaum Jugendliche sehen, die einzige größere Gruppe war am Bahnhof am Sonntag als ich abgereist bin.


Der Bahnhof - verpackt!

In der Fußgängerzone gab es so viele Restaurants, Cafes und Einkaufsmöglichkeiten, dass es nicht nötig war, sich weit vom Hotel zu entfernen. Am Freitag gab es auch noch eine Verkaufstheke von EuroChess.de, die ich mir angeschaut habe, aber trotz der etwas günstigeren Preise verglichen mit Finnland wollte ich nichts kaufen.


Das Restaurant mit dem pfiffigen Namen habe ich nicht ausprobiert.

Ich habe dann schlecht gespielt und war am Rande einer Niederlage, bis mein Gegner mir einen kleinen taktischen Kniff erlaubt hat, womit ein Remis gerechtfertigt gewesen wäre. Er ist jedoch regelrecht eingebrochen und hat seinen anfänglichen Vorteil bis hin zum Verlust verspielt.

Der letzte Zug war das Schlagen des Bauern mit Sd3xc5, aber z.B. exd5 hätte mich sehr wahrscheinlich zur Aufgabe gezwungen.

Das Spielen gegen Junioren, die sich noch weiter entwickeln, wird oft nicht wirklich belohnt wenn deren Wertung noch dem tatsächlichen Können zu sehr nach hinkt. Auf der anderen Seite haben diese oft noch ein Defizit bei der Routine in überraschenden Situationen, so dass man ab und an auch etwas geschenkt bekommt. Wir spielten beide zum Schluss unkonzentriert, aber der Punkt war nicht wirklich in Gefahr. Mein Zwischenresultat war demnach 2 aus 4. Epishin war nach 4 Runden der einzige mit Maximalpunktzahl, gefolgt von 9 weiteren Spielern mit einem halben Punkt Rückstand.

Am Samstag habe ich beim Frühstück schließlich gemerkt, dass mindestens ein anderer Turnierteilnehmer im selben Hotel wohnte. Der war Anfang 60 und hatte etwas über 2000; er hatte sein zweites Spiel wegen des Klingelns seines Handys direkt zum Spielbeginn verloren. Es war natürlich ein Versehen, aber es wurde keine Ausrede akzeptiert und seine Partie als verloren gewertet. Deutsche Pünktlichkeit und Effizienz herrschten während des gesamten Turniers mit der Ausnahme des Spielbeginns, der wegen EDV-Problemen sich um 20 Minuten verzögerte. Es gab keine weiteren Störungen und alle verließen den Saal nach dem Spiel zügig in Cafes oder Analyseräume.

Laut FIDE hatte mein Gegner vom Samstag Morgen einige Jahre seit 2005 pausiert, aber der 2075er Spieler war trotzdem auf Zack. Ich war schon die ganze Zeit auf der Verliererstrasse, habe falsch gerechnet und dachte sogar, von meinem d6-Vorstoß profitieren zu können. Ich war jedoch praktisch Matt. 2 aus 5 und der einzige Sieg durch Unkonzentriertheit des Gegners, ich habe auch bessere Turniere gespielt...

Der 1899er Abendspielgegner Storch hat eine zu seinem Namen passende Bird-Eröffnung gewählt. Er wirkte etwas nervös und bot mehrmals ein Remis an. Ich hatte zwei Bauern mehr, aber meine Gesamtstellung war nachteilig. Da ich jedoch keine direkte Gefahr erkennen konnte, wollte ich weiterspielen. Nach einem Feuerwerk hatte ich einen Springer und 3 Bauern, mein Gegner einen Springer und 2 Bauern. Das Spiel endete dann relativ zügig mit einem Remis. Der Grund zur Nervosität meines Gegners wurde mir nach dem Spiel klar. Bayern München und VfB Stuttgart spielten im DFB-Pokalfinale. Unser Spiel war jedoch so kompliziert, dass wir noch etwas analysieren wollten, wonach mein Gegner sich in der Bar die 2. Halbzeit ansehen wollte. Ich habe vergessen, ihn zu fragen, für welchen der Vereine er war. Auf dem Heimweg habe ich aus einem Fenster einer Wirtschaft sehen können, wie die Bayern das 3-0 erzielten. Im Hotel habe ich dann einen Sender mit dem Spiel gesucht und habe dann fast unmittelbar ein Tor der Stuttgarter beobachten dürfen. Sie haben auch noch ein zweites erzielt, aber trotz einer Vielzahl guter Gelegenheiten den Ausgleich nicht geschafft.

Epishin musste sich mit jeweils einem Remis in der 5. und 6. Runde gegen IMs begnügen. Vor der Schlussrunde lag ein junger FM J-C Schröder in Führung, der in der ersten Runde gegen einen unter 2000 ein Remis gespielt hatte und danach 5 Siege in Folge erzielte. Er spielte gegen Epishin. 5 Punkte hatten eine ca. 20jährige IM Anastasia Savina, ein Dauerspieler Torbjørn Ringdal Hansen aus Norwegen, FM Karabalis aus Deutschland und die eigentliche Überraschung Schupp (2073), der während des Turniers zwei Punkte mehr holte, als es seiner Wertung entsprochen hätte.

Perman hatte 2,5 aus 3 und sein letzter Gegner war ein 2136er aus Mazedonien. Mein Gegner war ein 1825er und mein Punktesaldo lediglich 2,5 aus 6, so dass ich Siegeszwang hatte. Ich hatte 2 aus 3 mit Schwarz aber nur 0,5 aus 3 mit Weiß. Für das letzte Spiel bekam ich Weiß. Die Eröffnung war sonderbar: 1.e4 c5 2.Sc3 a6 3.g3 b6. Man kann sagen, dass im Mittelspiel mein Springer Vorteile gegen den Läufer des Gegners hatte.

Zum Schluss opferte mein Gegner einen Bauern bei dem Versuch, in meine Position einzudringen, aber ich konnte es abwehren und gewann die entscheidende Qualität. Also erzielte ich schließlich 50%, jedoch nicht aufgrund überzeugender Leistungen. Meine Wertung verbesserte sich um ein paar Punkte, da ich in der Endabrechnung den 73. Platz erzielte. An Elopunkten gewann ich 4. Perman hat sein letztes Spiel verloren und war 75.

Die Spitzenpaarungen der A-Gruppe waren Karabalis-Hansen und Schupp-Savina. Im beiden Begegnungen war Schwarz erfolgreich. Da Schröder gegen Epishin ein Remis holte, hat er den Sieg mit Savina und Hansen geteilt. Hansen wurde Sieger durch die bessere Zweit- bzw. Drittwertung (Punktsumme und Buchholz). Der Sieger in der B-Gruppe wurde Sören Keßler mit 6 Punkten, den 2. Platz haben sich 5 Spieler mit 5,5 Punkten geteilt.

In der B-Gruppe haben viele Kinder und Jugendliche gespielt. Frauen und Mädchen gab es dort 12, in der A-Gruppe lediglich 3. Zusätzlich zu den Rating-Preisen haben jeweils die drei besten Junioren, Senioren und Viererteams Geldpreise bekommen. Ich konnte nicht mehr an der Preisverleihungszeremonie teilnehmen, da mein Rückflug bereits am frühen Abend ging. Ich wurde wieder in der Sicherheitskontrolle manuell gefilzt, obwohl ich sogar meinen Gürtel abgelegt hatte. Vielleicht sind die Sicherheitsgeräte in Frankfurt schärfer eingestellt als in Helsinki. Beim zollfreien Einkauf wurde der Blick durch langbeinige Spielerinnen einer litauischen Damenbasketballmannschaft versüßt. Der Rückflug war problemlos und ich habe auch meinen Anschluss in Helsinki noch gerade so erwischt.

Falls euch nichts ausmacht, an Mittsommer Schach zu spielen, kann ich das Turnier wärmstens empfehlen. Wegen der geringen Anzahl der Titelträger kann man keine IM- oder GM-Norm erzielen, aber ansonsten gibt es genügend starke Gegner. Auch ohne Deutschkenntnisse kommt man gut zurecht, alle Offiziellen haben auch Englisch gesprochen. Auch alle Anwohner die ich angesprochen habe konnten Englisch, die jüngeren meist besser und die älteren etwas schlechter, aber es war nie ein Problem.